Ich bin ihm zum ersten Mal vor vielen Jahren in einem seiner berühmtesten Fotos „begegnet“ und dann – viel später – bei Facebook auch persönlich. So oft habe ich mich über seine engagierten, ziemlich direkten und kompromisslosen Kommentare zu Themen wie Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus diebisch gefreut. Wo ich viele Worte brauchte, landeten seine knappen Sätze Treffer für Treffer. „Ich fand Ihre Anmerkungen zu dem Lackaffen gut“, schrieb er mir zu Anfang. Wer damit gemeint war, weiß ich nicht mehr, aber worum es ging schon: Nämlich genau um dieses große und mich mit ihm verbindende Thema Rassismus/Rechtsextremismus.
Und später dann, als sich unsere Kommentare wieder einmal gekreuzt und ich mich wieder einmal über seine verbalen Volltreffer gefreut habe, erwiderte er in gewohnter wortkarger Manier:
„Ich bin zu alt für Nettigkeiten“.
In einem Gespräch hat mir Martin Langer erzählt, wie sehr und wie lange ihn die eine Woche im August 1992 – die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen – verfolgt haben. Er hat von der Atmosphäre der Angst gesprochen, in der ebendieses eine Foto entstanden ist, das auch heute noch sinnbildlich für den tumben, dumpfen und billigen Hass auf „Ausländer“ steht. „Den hab ich mal fotografiert, vielleicht kennen Sie das schon. Er tat es, während vor seinen Augen pogromartig versucht wurde, 100 Menschen zu verbrennen. Rostock 1992“, schrieb er mir. Und meinte damit den arbeitslosen Maschinisten Harald Ewert, der – in Sandalen, in im Schritt nassen Jogginghosen und im Trikot der Nationalmannschaft – seinen rechten Arm zum Hitlergruß reckt, während in unmittelbarer Nähe eine entfesselte Jagd auf Menschen stattfindet.
Siehe auch DER Spiegel
Martin Langer ist dieses eine und wirkmächtige Foto, aber eben noch so viel mehr. Ich habe ihn bewundert für seinen so ganz besonderen Blick auf die Menschen, die er fotografiert hat. Und gemocht für seinen feinen Humor, für seinen Blick für Skurriles, für das Besondere im Alltäglichen. Für die Geschichten, die er in seinen Fotos erzählt. Und mich zuletzt über seinen Bildband „Das Land des Lächelns gefreut“, den ich auch für ein kleineres Publikum besprochen habe.
Am 3. März 2022 habe ich die traurige Nachricht erhalten: Martin Langer ist tot.
In ein paar Tagen wäre er 66 Jahre alt geworden.
Er starb viel zu früh, um zu alt für das Leben zu sein.
Ich möchte, auch mit Blick auf seine Kinder, die Martin Langer hinterlässt, diesen feinen Fotoband ans Herz legen.
Lieber Martin, ich bin von Herzen traurig, du „Flaneur im öffentlichen Raum“.
Mein Mitgefühl gilt deinen Kindern und allen, die dich lieben.
Titelfoto: Mit freundlicher Genehmigung von Martin Langer anlässlich meiner Buchbesprechung vom Herbst letzten Jahres
Das Land des Lächelns
Eine westdeutsche Provinz in der 80ern.Die 80er Jahre sind noch gar nicht so lange vorbei, aber optisch hat sich vieles verändert. Die S/W-Fotografien zeigen den Alltag einer westdeutschen Provinz.
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