#buchtipp zur aktuellen Stunde:
„Zum Ausrotten wieder bereit“
„Mir fehlen die demokratischen Wutausbrüche“
Von knapp einer Million Demokratinnen und Demokraten spricht Niklas Frank in seiner Widmung, gleich auf der ersten Seite seines Buches „Zum Ausrotten wieder bereit“. Der Rest sei „Verschiebemasse in die Diktatur“, kritisiert der 84-jährige Autor das Ausbleiben demokratischer Impulse und den erstarkenden Antisemitismus. Ihm fehlen die demokratischen Wutausbrüche, hält der unermüdliche Widerspruchsgeist in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur fest.
Eine Million Demokraten – mehr nicht
Eine Million. Mehr Demokraten traut der Schriftsteller und aktive Streiter für unsere Demokratie uns rund 61 Millionen wahlberechtigten Deutschen nicht (mehr) zu. Das ist eine mehr als pessimistische Prognose, mag man da spontan denken.
Und dann reicht ein Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen, die 30% für die rechtsextremen Faschisten sind geknackt und man möchte verzweifeln, erst am Pessimismus von Frank und dann an der Realität. Und es allzu gern als Dummheit abtun, dass so viele Menschen auf Höcke und auf Wagenknecht hereinfallen wollen. Statt diesen Wählern gar Überzeugung zuzutrauen.
An der Schwelle zum Totalitarismus?
„Unsere Demokratie, die beste, die wir je hatten – wird von DemokratiefeindInnen durch hinterhältigen Populismus unterwandert. Sie übernehmen, nachdem die bürgerlichen Parteien im aufgewühlten Volk keinen Rückhalt mehr finden, per rechtsgültigem Wahlentscheid die Regierung“, prophezeit Frank schwarzmalerisch, oder schlimmer noch: vorausschauend, in seinem im vergangenen Jahr erschienen Buch. Darin beschreibt er die politische Zukunft unseres Landes und traut diesen Wählerstimmen den Willen zur Vernichtung „eines noch zu bestimmenden Erzfeindes“ zu. Frank zitiert hierzu u.a. den Brandenburger Pressesprecher der AfD und EU-Kandidaten Tim Krause: „Die Demokratie, wie wir sie mal kannten, ist längst nicht mehr existent. Wir stehen an der Schwelle zur Machtergreifung des neuen Totalitarismus“.
Umfangreiche, akribische Recherche
Wie ernst es Niklas Frank mit seiner buchgewordenen Mahnung meint, zeigt sich nicht zuletzt in seinem bitterbösen Witz, „im Witz des kommenden Untergangs“, wie er ihn selbst beschreibt. Untermauert hat er seine deprimierende Prognose mit zahlreichen Zitaten, aufwendiger Recherche und seinem gnadenlos unverstellten Blick auf unsere deutsche Vergangenheit; auf seine eigene Familiengeschichte, die seinen Vater, Dr. Hans Frank, über das Amt des höchsten Juristen im Dritten Reich und Generalgouverneurs von Polen, an einen Galgen in Nürnberg brachte. Er zeigt im Buch zudem auf, welche Mechanismen, gewollt oder ungewollt, den braunen Extremisten geradezu in die Hände spielen. Wozu unsere Medien, unsere Justiz und allen voran unsere demokratischen Parteien beitragen, indem sie sich willfährig von den Rechtsextremen instrumentalisieren lassen und im Wetteifer um die Deutungshoheit klassischer rechtspopulistischer Themen, wie dem der Migration, das Original am Ende noch in seiner Menschenverachtung überbieten.
„Ein weises Wutbuch“
„Man muss diese Einschätzung nicht teilen und bekommt doch eine Fülle nachdenkenswerter Überlegungen präsentiert, vor allem in Bezug auf das Agieren und die Wortwahl von AfD-Politikern, deren Sätze gern mit Hans-Frank-Schwadronierereien verglichen werden. Für Frank führt eine „rote Linie vom Verschweigen zur AfD“, von dort zum Sterben der Demokratie und in eine aufziehende Diktatur. Und sie führen zu schrecklich-schönen Sätzen: „Nicht der Wald ist der Mittelpunkt der deutschen Seele, es ist der Antisemitismus“, rezensiert Robert Probst in der Süddeutsche Zeitung
Doch, wie raus aus der Misere? Einen Masterplan gegen die alarmierende Entwicklung hat auch Niklas Frank nicht im Schrank. Stattdessen übt er sich am Ende seines aufrüttelnden Buches in Selbstkritik. “Wie einem das so passiert als ziellos dahindümpelnder Charakter, der nichts für die Demokratie und nicht gegen den um mich wabernden Antisemitismus unternahm. […], weil ich selbst ein Riesenfeigling war. Jetzt bin ich es nicht mehr, jetzt beißen Antidemokraten bei mir auf Granit […].“
Und damit ist auch die Botschaft klar: Sie geht an uns alle, ganz besonders an diejenigen die sich in Sicherheit wiegen und meinen, die anderen würden das schon alles richten.
„Ein weises Wutbuch“, Robert Probst, Süddeutsche Zeitung
https://www.sueddeutsche.de/…/antisemitismus-drittes…
Link zum Interview
https://www.deutschlandfunkkultur.de/zum-ausrotten-wieder...
Zum Ausrotten wieder bereit? · Verlag: Dietz, Bonn · Seitenzahl: 172 · Erscheinungstermin: 23. Oktober 2023, 18,00 €
im Buchhandel, über amazon oder über www.niklasfrank.de
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